08.12.2017
Drückjagd in der jagdlichen Heimat
Ich krame meinen Jagdschein aus dem Etui und stelle mich den freundlichen Gesichtern im Forstarbeiterwagen vor. Nicht nötig, sie kennen mich bereits: Auf der letzten Jagd im Forstamt wäre ich durch meine arbeitswillige Einstellung und meine Mithilfe beim Wild wiegen aufgefallen. „Mensch, sie haben ja sogar die dicken Schweine mit an die Waage gehängt, das vergessen wir so schnell nicht!“ Ich muss laut lachen und freue mich über die lustige Begrüßung. Dann stelle ich mich an den Sammelplatz und warte. Die ersten bekannten Gesichter tauchen auf. Zwei Förster, die ich bereits seit meinen ersten Jagden in diesem Forstamt kenne. Das war es aber auch schon.
Ich habe zwar auch kein Problem, auf Drückjagden nur mit Leuten in einer Anstellergruppe zu sein, die ich nicht kenne, freue mich aber trotzdem als einer der befreundeten Förster mich einsammelt: „Du bist heute bei mir in der Gruppe!“ Hervorragend!
In dem allgemein ausbrechenden Aufbruchschaos gehe ich zum Auto und schaue schnell, dass ich den Anschluss nicht verliere. Wir fahren ein Stück in den Wald rein, dann halten wir schon alle gemeinsam an der rechten Seite. Gemeinsam gehen wir zu Fuß weiter, einer nach dem Anderen
verlässt die Gruppe und nimmt seinen Stand ein. Das letzte Stück gehe ich mit meinem Standnachbarn zusammen. Er ist ebenfalls Hundeführer und da unsere Stände sehr nah beieinander sind, sprechen wir uns kurz ab, falls es zu dem Fall kommen sollte, dass wir beispielsweise Standlaut angehen müssen. Dann gehe ich zu meiner Kanzel, mache Schlumi unten fest und klettere hoch. Wie immer richte ich mich ein, schaue wie ich mit meiner Waffe am besten in Anschlag komme und gucke mir meine Umgebung an. Direkt gerade vor mir läuft der Grasweg, den ich gerade hergekommen bin. Er verschwindet hinter einer kleinen Kurve und ich mache mir nochmal klar, dass mein Nachbar unmittelbar hinter dieser Kurve sitzt. Ich kann ihn nicht sehen, da er von einer schmalen Baumreihe verdeckt wird. Links von mir läuft der Hang parallel zum Weg, bestockt mit alten Kiefern. Auf der rechten Seite des Weges erblicke ich ebenfalls im Hang einen dunklen, mittelalten Fichtenbestand, durch welchen zwei Schussschneisen verlaufen. Ich beiße genüsslich in einen Lebkuchen, den ich geschickt aus meinem Rucksack gefischt habe, und lehne mich zurück; in gespannter Erwartung aufs Hundeschnallen.
Ich höre das erste Hundegeläut. Gerade will ich runter, um meinen Hund ebenfalls zu schnallen, da sehe ich sie: Zwei Rehe springen aus der Baumreihe, hinter welcher mein Nachbarschütze steht, dicht gefolgt von einer Bracke. Das Adrenalin schießt mir durch den Körper, doch an einen Schuss ist garnicht zu denken, zu nah ist der Nachbar, zu groß die Gefährdung. Kommt nicht in Frage. Diese Rehe kommen dann halt heute jemand anderem passig, denke ich mir. Schnell klettere ich die Leiter runter und mache meinen Hund los. „Huiii such voran, hussassassassa!“ und mein kleiner Wachtel macht seinen altbekannten Zisch, ich höre nur noch das Glöckchen bis es schließlich auch verhallt. Immer wieder höre ich rechts irgendwo Hundegeläut, doch nichts kommt bei mir an. Geduldig und ziemlich aufgeregt warte ich. Eine Jagd, bei der es keine ruhigen Phasen zu geben scheint. Wo ich die ganze Zeit dauerangespannt bin.
Dann sehe ich es: Den Hang rechts hoch erscheint auf der ersten Schneise ein einzelner Überläufer. Schnell nehme ich den Repetierer hoch um es auf der zweiten Schneise abzupassen, doch dort kommt es nicht an. Scheinbar hat es sich über den Hang davon gemacht. Ich ärgere mich ein wenig, als hinter mir erneut aggressiver Hundelaut zu hören ist. Schnell ist der Ärger übers verpasste Schweinchen verflogen und ich konzentriere mich wieder voll und ganz auf das, was hinter mir gleich kommt. Immer näher und näher kommt der Laut. Ich kann nichts sehen. Noch lauter wird das Geläut... gleich... gleich... da brechen zwei Rehe aus den Fichten raus, machen einen großen Satz über den schmalen Grasweg und ziehen in das Kiefernaltholz. Die Waffe ist schon oben, sehe ich, wie die zwei verhoffen, um zurückzusichern, wo die Hunde artig auf der Spur folgen. Ich habe schon entsichert. Das eine Reh verhofft hinter einem Baum, das zweite steht frei. Und breit. Ich lasse fliegen. Einen riesen Satz macht das Stück, zeichnet und will zurück flüchten. Mein Hund kommt auf der Spur. Im Affekt rüde ich ihn an „Pack es dir, packs dir!“ Das Reh ist im gleichen Moment jedoch tödlich getroffen, bereits nach 15m Fluchtstrecke zusammengesackt. Mein Hund packt am Träger und beutelt. So ein feiner. Noch im Adrenalinrausch höre ich, wie mein Nachbarschütze mir zuruft, ob ich Hilfe bräuchte, ob wir Standlaut angehen müssten. Ich bedanke mich und erkläre kurz, dass das beschossene Reh liegt und alles gut ist.
Puh. Erstmal tief durchatmen. „Waidmannsheil!“ ruft er.
Ich breche selber am Stand auf. Ein Böckchen habe ich erlegt. Ich freue mich über das Erlebnis, ein Stück vor meinem Hund geschossen zu haben. Auch Böcke sind ganz offiziell freigegeben gewesen, und dieser Bock hat sogar noch beide Stangen auf. Wie immer habe ich natürlich vor, ihn mir präparieren zu lassen; als Erinnerung an das Erlebnis.
Am Streckenplatz angekommen trinke ich einen Kaffee, esse eine Suppe. Mein Stück wurde von jemand anderem auf dem Heckpack mitgenommen. Dann gehe ich zur Strecke und beschaue mir, was erlegt wurde. Schnell mache ich auch mein Böckchen aus: Eine der Stangen fehlt. Ich bin ein bisschen bestürzt darüber. Nicht, weil ich der große Trophäenjäger bin. Aber ich hätte ihn mir gern noch öfters so beschaut, wie ich ihn auch geschossen habe. Nichts desto trotz wird mich die Einstangen-Trophäe des kleinen Drückjagdböckchens auch so oft genug an den spannenden Jagdtag mit meinem jungen Wachtel erinnern.
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